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Ein Cape für alle Fälle









Bei Radfahrern und Wanderern sieht man es häufig, aber auch Ötzi, die Gletscherleiche, trug es schon und bei der Moorleiche von Kayhausen hat man es ebenso gefunden – ein Cape: einen ärmellosen, möglichst leichten Umhang zum Schutz gegen Wind und Wetter. Vor 5000 Jahren bestand es aus Gras, 364/350 vor Christus aus Fell, heute aus textilen und synthetischen Materialien: platzsparend zu verpacken, bei Bedarf einfach zu entfalten und schnell anzulegen.

An ein Cape dachten auch die Wissenschaftler des Fraunhofer IPA, als sie im Jahr 2015 zusammen mit einem Unternehmen der Luft- und Raumfahrt einen mobilen Reinraum konzipierten. Dieser sollte hochempfindliche Hardware in einem Reinraum hoher Reinheitsklasse zusätzlich schützen. »Die Idee war, im Reinraum durch ein mobiles und rasch zu installierendes, autarkes System eine eigene Reinraumumgebung zu erzeugen«, sagt Udo Gommel, Leiter des Bereichs Intelligente Automatisierung und Reinheitstechnik. Die Kooperationspartner entwickelten zusammen einen mobilen Reinraum, der es Nutzern erlaubt, Hardware auf einer Fläche von etwa vier mal vier Metern in gut einer Stunde einhausen zu können. Das »Clean And Protective Environment« war geboren, kurz »CAPE®« genannt. Es bietet temporären Schutz vor partikulärer und molekularer Kontamination, bei Produktinspektionen oder Reinigungsprozessen, während Neuinstallationen im Reinraum oder bei routinemäßiger Wartung und bei Reparaturen. Denkbar sind aber auch ganz andere Anwendungen: als mobiler OP-Saal, als Quarantäne-Raum in Pandemien, um Mitmenschen und Umwelt vor Kontaminationen zu schützen, als Wartungs-CAPE® in der Halbleiterbranche oder als Test- und Beratungszentrum für gesunde Raumluft während der Corona-Pandemie.

Healthy Air

Können Lüftungs- und Luftreinigungsanlagen vor Covid-19 schützen? Wie müssen sie dafür konstruiert werden? Und wie müssen Hygiene- und Lüftungskonzepte gestaltet sein, damit die Virenübertragung durch Aerosole reduziert wird? Antworten auf diese Fragen gibt ein Forschungsteam der Stuttgarter Fraunhofer-Institute IBP, IGB und IPA in einem Test- und Beratungszentrum für gesunde Raumluft. Im Rahmen der Healthy-Air-Initiative des Landes Baden-Württemberg sollen sie kleinen und mittleren Unternehmen bei der Umsetzung von Lüftungskonzepten helfen, um die Ausbreitung des Corona-Virus im Betrieb zu verhindern. Doch zunächst ging es einmal darum, geeignete Räumlichkeiten zu finden.

Auf der Suche nach einer Testumgebung

Um die Luftreinigungstechnologien testen und vergleichen zu können, konzipierten die Wissenschaftler zwei repräsentative Testumgebungen: eine Betriebsstätte von der Größe einer Fabrikhalle und ein kleines Büro als Arbeitsstätte. Eine Herausforderung war schon, die schiere Größe einer solchen Betriebsstätte in einem Szenario abzubilden. Eine andere, dass der Raum über eine entsprechende Lüftungs-, Klima- und Reinigungstechnik verfügte. Außerdem musste er in biologisch-virologischer Hinsicht und auch bezüglich seiner Partikelkonzentration dekontaminiert werden können. Und schlussendlich sollte eine solche saubere Prüfumgebung in kürzester Zeit in Betrieb genommen werden.

Ein solcher (Rein-)Raum stand den drei Instituten nicht zur Verfügung. Was die Reinraumexperten allerdings auf Lager hatten, war ein CAPE®: eben das System, das sie ursprünglich für die Luft- und Raumfahrt entwickelt hatten. Außerdem war ein pandemiebedingt geschlossener Hörsaal ungenutzt.

Der reinste Hörsaal der Welt

Der nach dem Fraunhofer-Präsidenten und IPA-Institutsleiter Hans-Jürgen Warnecke benannte Saal befindet sich im Institutszentrum der Fraunhofer-Gesellschaft in Stuttgart. Er lässt sich mit Schiebewänden in zwei Bereiche mit ca. 95 m² und ca. 92 m² teilen und hat je nach Bestuhlung für 78 bis 160 Besucher Platz. Über eine Seitenlänge von fast 14 m verjüngt sich der Saal zur Bühne hin trapezförmig in seiner Breite von 17 m auf 10 m. Seine Höhe bemisst sich auf etwa 7 m.

Das Bestands-CAPE® hat eine Größe von 100m2 Fläche und 7m Höhe. Es entsprach damit ideal dem Szenario der Arbeitsstätte einer Fabrikhalle und passte zudem mit ein paar zusätzlichen Umbauten genau in den zur Verfügung stehenden Hörsaal. Die Höhe des CAPE®-Systems wurde etwas angepasst, Wandpanelen des Hörsaals abgenommen. Damit waren die Platzverhältnisse optimal ausgenutzt. Dann zogen die Experten noch eine herausnehmbare Trennwand ein. Den Boden legten sie mit Reinraumbodenplatten aus. Nach 2 Tagen Aufbau stand schließlich die Testumgebung, dessen System normalerweise in wenigen Stunden in Betrieb genommen und in kürzester Zeit wieder abgebaut werden kann.

Dreiviertel des Raums belegt eine Art Meeting-Raum mit Tischen und Stühlen. Im abgetrennten Viertel der Testumgebung haben die Fraunhofer-Wissenschaftler ein zweites Setting aufgebaut, das auf 25–30 m2 ein Büro abbildet. Im saubersten Hörsaal der Welt führen die Wissenschaftler zunächst bis zum 31. Dezember 2021 Wirksamkeitstests von Luftreinigungstechnologien durch. Außerdem überprüfen sie in einem Expertenpapier, wie sich mobile und festinstallierte Lüftungsanlagen auf die Verbreitung infektiöser SARS-CoV-2-Aerosole auswirken.

Messen mit künstlichen Aerosolen

In der großen Testumgebung des Meeting-Raums werden die Aerosole bewertet. Aerosole sind zunächst einfach nur Partikel, luftgetragene Teilchen, die eine Teilchenwolke bilden. Zur Messung der Partikelkonzentration setzen die Wissenschaftler künstliche Aerosole ein. Diese gewinnen sie, indem sie Di-Ethyl-Hexyl-Sebacat, kurz DEHS, eine verdampfende, ölhaltige Flüssigkeit »verdüsen«. So entstehen Tröpfchenaerosole, die den durch Coronaviren kontaminierten Aerosolen sehr stark ähneln, aber für Mensch und Umwelt unschädlich sind. Ihre Partikelgröße liegt zum überwiegenden Teil im Bereich zwischen 0,2 bis 0,3 μm. Außerdem schweben sie ähnlich wie Viren. 0,3-μm-DEHS-Partikel verdampfen rückstandsfrei nach etwa 4 Stunden. Solange wie Coronaviren im Raum schweben und eingeatmet werden können. 

12 Partikelzähler messen an unterschiedlichen Stellen und in verschiedenen Höhen die Partikelkonzentration. »Wir sehen sehr schön, wo ich mit Partikeln belastete Bereiche habe, oder Bereiche, die von der Strömung besser versorgt werden und dementsprechend auch die potenziellen Viren besser abtransportieren können«, erklärt Gommel. »Ich kann also sehr genau sagen, wo kommt welche Partikelkontamination am Arbeitsplatz an.«

In der zweiten Testumgebung, dem Büro, bewerten die Experten die Virenabreicherung. Die Viren werden vor und nach Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Bezug auf ihre Aktivität und Menge analysiert. »Nach den Tests können wir Rückschlüsse auf notwendige Anpassungen der Lüftungsanlagen oder Inaktivierungsschritte ziehen«, so Gommel. Außerdem bestünde die Möglichkeit, mit UVC-Strahlung den Raum zu dekontaminieren. Dies geschieht, um den Raum nach jedem Test in seinen definierten Ursprungszustand zurück zu versetzen. 

In der Testumgebung messen die Wissenschaftler außerdem noch chemische Beiprodukte sowie Temperatur und Feuchte. Speziell die Luftfeuchte spielt für die Größe der Partikelfraktionen und damit fürs Infektionsgeschehen eine entscheidende Rolle. Je trockener die Luft ist, umso kleiner sind die Partikelfraktionen und umso länger schweben die Teilchen in der Luft und können eingeatmet werden. Wenn die Luft feuchter ist, agglomerieren die Teilchen, die Fraktionen werden größer und fallen durch die Gravitationskräfte zu Boden. Außerdem sind bei trockener Luft die Schleimhäute anfälliger für Virenanlagerung, dann kann es leichter zur Infektion kommen. Eine weitere Rolle bei den Tests spielen Akkustikwerte. Denn wenn der Geräuschpegel eines Geräts zu hoch ist, stellen die Nutzer den Luftreiniger ab.

Wie weggeblasen

Hauptmittel, um luftgetragene Kontaminationen in den Griff zu bekommen, ist die Strömungstechnik. Sie entstand vor 60 bis 70 Jahren klassischerweise im Reinraum. Hier hat man zunächst einmal eine horizontale Luftströmung aufgebaut. Dabei werden die Kontaminationen immer weg von der Verunreinigung geblasen.

»Ganz ähnlich verfahren wir bei den Luftreinigungskonzepten. Wir schauen uns an, wo diese virenbelasteten Aerosole am unkritischsten für den Menschen wären und führen den Luftstrom entsprechend, um die Kontamination wegzublasen«, sagt der Reinraumexperte. Die Luft wird dabei durch Filtermedien geführt und gereinigt.

Luftreiniger arbeiten mit unterschiedlichen Systemen. Die einen saugen die Luft von hinten an und blasen sie nach vorne aus. Nachteil bei diesem Ansatz ist der sogenannte Chillfactor. Einzelne Personen empfinden Zugluft, kühlen entsprechend aus und klagen über Beschwerden.

Einem anderen Konzept folgen Luftreiniger, die die Luft über einen Diffuser ausbringen und nach oben tragen. Dieser Ansatz erwartet über die Verwirbelung im Raum eine gleichmäßige Abreicherung, also eine Verringerung der Konzentration der luftgetragenen Teilchen. Weil etwa beim Sprechen die erwärmte Luft nach oben steigt und hier mehr virenbelastete Aerosole erwartet werden, setzen einige Luftreinigungshersteller an der Decke an und saugen die Luft von oben ab, nicht etwa von der Höhe des Arbeitsplatzes. Feuchte Aussprache zeigt sich allerdings in Form der emitierten Tröpfchen auf Visieren und Schutzglasvorrichtungen. Daraus wird ersichtlich, dass Aerosole sich nicht gleich in der Phase befinden, dass sie nach oben wegdiffundieren. Insofern bleibt die entscheidende Frage: Was kann auf die Mitarbeiter einströmen und einwirken? Da diese an ihren Schreibtischen sitzen, sollte auch der Arbeitsbereich bewertet werden. In jedem Fall muss über den Standort des Luftreinigers genau nachgedacht werden.

Die Tests beginnen

Nach der Methodenentwicklung und -validierung und dem Auf bau der Testumgebung beginnen die Tests. Erste Beauftragungen sind eingegangen. Die Testergebnisse werden miteinander verglichen und eine sogenannte Querauswertung den Herstellern zur Verfügung gestellt. Dort sehen diese, wo ihr Gerät im Vergleich zum Mittelwertergebnis liegt. Hersteller und Typenbezeichnung des Geräts sind ausgegraut, nur der Hersteller kann einsehen, wie sein Gerät im Ranking mit den anderen abschneidet.

Wartungs-CAPE® in der Halbleiterbranche

Die Halbleiterindustrie hat die höchsten Anforderungen in Bezug auf die Kontaminationsfreiheit. Ihre Produktionsreinräume müssen auch frei von chemischen Komponenten sein, die beispielsweise die Beschichtungsprozesse stören könnten. Bei Wartungs- oder Montagearbeiten treten ähnliche Probleme auf wie in der Luft- und Raumfahrt. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die IPA-Experten Halbleiterproduzenten das Konzept vorstellten. »Die schwierige Aufgabe war, das System so zu konfigurieren, dass es während der Wartungsintervalle für 1 bis 3 Tage innerhalb von Fertigungsbereichen und Equipment installiert bleibt und kurzfristig wieder abgebaut werden kann. Eine der Herausforderungen sind dabei die sehr beengten Platzverhältnisse. Jeder Zentimeter wird für die Maschinen ausgenutzt. Ein CAPE®-System, wie für die Luft- und Raumfahrt entwickelt, braucht schon zu viel Platz«, erzählt Gommel.

Eine neue Strategie musste her. Ein hochziehbares flexibles CAPE®-System entstand. Es wird im Deckenbereich einmalig montiert, hat ein versteifendes Gestell – und wird dann von der Decke über die zu wartende Maschine gelassen. Im Innenbereich wird die Luft abgesaugt, sodass keine Kontamination bei der Wartung nach außen treten kann.

Knackpunkt war die Strömungstechnik. Üblicherweise wird von oben die Luft eingeblasen und über einen perforierten Doppelboden abgeführt. Die dafür eingebauten Deckensysteme belegen zu 100 Prozent die Decke mit Filterelementen für den Dauerbetrieb. Im CAPE® aber muss vom Luftvolumen mehr Luft absaugt werden, als von der Decke einbracht wird, damit ein Unterdruck generiert wird und keine Kontamination nach außen dringen kann. Entscheidend dafür ist die CAPE®-Wandung. Durch sie muss Luft nachströmen können. Diese Anforderung gewährleistet ein Textil, dessen strömungstechnische Öffnungsfläche genau definiert ist.

Aus diesem Wartungs-CAPE® haben die Tüftler dann eine Spezialapplikation entwickelt, die sich über das Equipment stülpen lässt. »2ndSCIN« heißt der maßgeschneiderte Anzug für Maschinen. Dieser bietet Schutz vor emittierenden Kontaminationen und verlängert die Wartungszyklen.

Bedarf an mobilen und autarken Reinräumen haben neben der Raumfahrt- und Halbleiterindustrie auch die Optik-, Lebensmittel-, Pharma- und Medizinindustrie.

Aber auch andere Industrien zeigen Interesse, wie die Bestellung eines 150 qm großen CAPE®-Systems eines bayrischen Automobilzulieferers zeigt.

Ein CAPE® kann sowohl als Standardprodukt als auch als kundenspezifisches Modell erworben werden. Bei der Konzeption und Herstellung kundenspezifischer Modelle werden der jeweilige Verwendungszweck, die gewünschte Größe und die erforderliche Luftreinheitsklasse berücksichtigt.


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Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Nobelstraße 12
70569 Stuttgart
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Phone: +49 711 970 1667
email: joerg-dieter.walz@ipa.fraunhofer.de
Internet: http://www.ipa.fraunhofer.de

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