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Dr. Gero Beckmann

Compounding - Wenn’s mal richtig kracht

- der Fall der US-amerikanischen Fa. NECC aus mikrobiologischer Sicht -

Tabelle 1
Tabelle 1

Die pharmazeutische Mikrobiologie ist – verglichen mit anderen Lebensbereichen – nicht eben gerade reich an spektakulären Fällen. Das spricht einerseits für den hohen Standard, andererseits wirft es zwangsläufig die Frage nach der Angemessenheit der Aufwendungen auf. Fragt man deutsche Pharma-Mikrobiologen nach bemerkenswerten mikrobiologischen Zwischenfällen in den letzten Jahren, so fällt gelegentlich das Stichwort: „Mainzer Uniklinik 2010“. Hier hatte es auf der Frühchenstation 3 beklagenswerte Todesfälle nach Infusionen gegeben, die mit Escherichia hermannii und Enterobacter cloacae kontaminiert waren. Der Fall wurde leider nicht durch offizielle Untersuchungsberichte begleitet, sodass am Ende die Begründung im Raum stand, dass es an einem Glasvial zu Haarrissen gekommen sei. Sowohl beim Hersteller als auch in der Krankenhausapotheke wurden die ursächlichen Keime nicht nachgewiesen. Dieses spärliche Ergebnis der Nachuntersuchungen ist angesichts der großen Aufwendungen, die im Bereich der pharmazeutischen Mikrobiologie und Qualitätssicherung betrieben werden, bedauerlich. Der offensichtlichen, menschlichen Neigung zum Herunterspielen, Verdrängen und Vertuschen hätte man den kollektiven Wunsch entgegensetzen sollen, dass aus Gründen der Arzneimittelsicherheit ein Höchstmaß an Transparenz zu fordern sei. Somit vergab und vergibt man sich die Chance, im GMP-Umfeld „aus Fehlern (anderer) zu lernen“.

Noch unverständlicher ist die geringe mediale und fachliche Aufmerksamkeit, die der Fall der US-amerikanischen Firma New England Compounding Center (NECC) seit Herbst vergangenen Jahres hierzulande auslöst:

Nach Verabreichung von Methylprednisolon-Acetat (unkonserviert, 3 Chargen), die patientenindividuell formuliert, intradural appliziert wurden, traten in mindestens 19 Bundesstaaten der USA Meningitiden auf. Ursächlich waren zunächst zwei Schimmelpilze (Exserohilum rostratum und Aspergillus sp.).

Bis dato wurden bei mehr als 700 registrierten Fällen 54 Todesfälle verzeichnet! Das entspricht etwa der Bilanz der EHEC-Welle in 2011 (BECKMANN 2011).  Bei Nachuntersuchungen von verschiedensten Chargen wurden neben Schimmelpilzen diverse Bacillaceae nachgewiesen, die auf schwere Hygienemängel hindeuten (s. Tab. 1).

Nach Bekanntwerden wurden FDA und CDC (Centers of Disease Control) einbezogen und etliche Kontrollen initiiert. Das Aufdecken der Fälle gestaltet sich wegen der langen Latenzzeit bis zum Auftreten der eher unspezifischen Symptome schwierig. Daher ist auch von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen.

Pikanterweise war die Firma NECC seit spätesten 2006 im Fokus der Überwachungsbehörden. Damals war sogar – so zeigen es die Befragungen der FDA-Chefin Margaret Hamburg vor einem Ausschuss des US-Senates – ein Warning Letter in Vorbereitung, der allerdings von den Hausjuristen der FDA gestoppt wurde, u.a., weil man die Verabschiedung einer FDA-Leitlinie für die sog. Compounding Center abwarten wollte und In-Haftungnahme befürchtete. Das erinnert an den Fall der verspäteten Schließung der Freisinger Großbäckerei Müller-Brot Anfang 2012. Hier war bekannt geworden, dass man bereits seit mehreren Jahren behördlicherseits (LGL, bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel) um die Schädlingsproblematik wusste. Aus gut informierten Kreisen wurde berichtet, dass auch hier die Hausjuristen einen schnelleren Vollzug verhinderten (Stichwort: Amtshaftung und Erwägung, ob es alternativ zur Schließungsanordnung eines Teilbereiches der betroffenen Firma kommen könne, ANONYM 2012).

Folgerichtig weitete die FDA die Untersuchungen auf andere Produkte der Fa. NECC sowie auf weitere Compounding Center aus. Das fand angesichts der Vielzahl vergleichbarer Einrichtungen (ca. 2.800 in den USA) nur stichprobenartig statt. Dabei wurden vergleichbare Mängel aufgefunden. Das bestätigte die eigentliche Intention, seitens der FDA eine eigene Leitlinie aufzulegen. Ein Luftbild der betroffenen Firma zeigt eine Einrichtung in direkter Nachbarschaft zu einem Recyclingbetrieb (!) und Speditionen mit offener Containerlagerung (Hinweis v. D. Müller am 23.01.2013). In Folge wurden 7 weitere Rückrufe initiiert.

Die FDA-Inspektoren fanden folgende Mängel:
•    Mangelhafte mikrobiologische Kontrollen
•    Mangelhafte Luftführung
•    Funde von Fremdkörpern in Produkten (schwarze Partikel)

Ein wichtiger Hinweis an dieser Stelle: in den USA wird erwartet, dass nichtsterile Produkte frei sind von „objectionable organisms“, d.h. unerwünschten Keimen (CFR 211.113, 211.165). Dazu zählen neben den spezifizierten Mikroorganismen auch alle, die z.B. in Zusammenhang mit der Anwendung von Arzneimitteln auffällig geworden sind oder Schwierigkeiten verursachen könnten. Hier, wie auch im Geltungsbereich des Europäischen Arzneibuches wird erwartet, dass man mikrobiologische Daten kritisch bewertet. Dazu werden Risk Assessments benötigt (SUTTON 2006; BECKMANN 2010).

Fakt ist, dass die intradurale Applikation eines die lokale Infektabwehr deutlichst herabsetzenden Glucocorticoids selbst dem harmlosesten Keim ermöglicht, eine Infektionskrankheit auszulösen. Insofern ist hier in besonderer Weise Sterilität gefordert und zu gewährleisten, was sich im Übrigen auch in einer guten ärztlichen Praxis für derartige invasive Maßnahmen ausdrückt.

Die Legislative in den Vereinigten Staaten reagiert mittlerweile: es soll eine Registrierpflicht für Compounding Center eingerichtet werden. Auch wird die FDA-Leitline verabschiedet werden.

Bei einer Behörde, der wir in Deutschland üblicherweise mit gebückter Körperhaltung begegnen, muten die Aussagen der FDA-Chefin geradezu revolutionär demütig an:

„I wish we have acted earlier“

Die FDA wäre nicht die FDA, wenn nicht gleich die erwartbare Ankündigung käme:

„I wish we had been more aggressive, and I can assure you, that we are being more aggressive now.”

Literaturhinweise:

Anonymus: Mitteilung vom 14.11.2012 an den Autor.

Beckmann G (2010): Risikobewertungen von Mikroorganismen. Eine besondere Herausforderung für die pharmazeutische Mikrobiologie. Pharm. Ind. 72, 332-336.

Beckmann G (2011): EHEC – relevant für die pharmazeutische Industrie? SWISS PHARMA 33 (7/8), 16-17.

Sutton S (2006): How to determine if an organism is „objectionable“. Pharmaceutical Microbiology Forum Newsletter 12, 2-9.

www.scientificamerican.com, aufgerufen am 15.5.2013.
www.CNBC.com, aufgerufen am 15.5.2013.
www.bostonglobe.com, aufgerufen am 15.5.2013.

Korrespondenzadresse:

Dr. Gero Beckmann,
Leitung Hygiene und Beratung im

Institut Romeis Bad Kissingen GmbH
Schlimpfhofer Str. 21
D-97723 Oberthulba
Tel. 09736-7516-20
E-Mail: g.beckmann@institut-romeis.de,
www.institut-romeis.de

Hinweis: Im Rahmen des Seminars „Sterilherstellung in der Apotheke“ am 15. Januar 2014 in Heidelberg spricht der Autor über die mikrobiologischen Hintergründe und darüber hinaus stellen Referenten von Behörde und Apotheke die europäischen und deutschen Empfehlungen und Vorgaben vor, die die Qualität und Sicherheit von patientenindividuellen Zubereitungen in der Apotheke sicherstellen sollen.

Nachtrag für alle interessierten Leser:

Implementation of Norms Established by the Council of Europe for Quality Assurance and Safety of Medicines Prepared by Compounding Pharmacies Can Prevent Serious Incidents with such Medicines in Europe.

There is no doubt that the preparation of medicines in pharmacies is indispensable in accommodating the individual needs and medical conditions of patients in Europe and beyond, in particular if an appropriate medicine does not exist or is not available on the market. The preparation of medicinal products in pharmacies, notably standards for quality assurance and safety, are not harmonised throughout Europe and fall under the national competencies of individual European countries.

Following the conclusions of a survey (2008) carried out by the Committee of Experts on Quality and Safety Standards for Pharmaceutical Practices and Pharmaceutical Care (Council of Europe) supported by the EDQM, a wide gap has been identified between respondent countries in terms of quality assurance and standards for pharmacy-made medicinal products, as well as a gap in quality assurance between preparation in pharmacies and medicines prepared by the pharmaceutical industry.

The Committee of Experts has proposed standards for harmonising quality and safety standards for pharmacy preparation of medicinal products in Europe in the form of a draft resolution.

The Committee of Ministers has adopted Resolution CM/Res AP(2011)1 on quality and safety assurance requirements for medicinal products prepared in pharmacies for the special needs of patients and has recommended that member states adapt their legislation in line with the provisions of the above resolution.

Notably, the resolution is a major breakthrough in protecting patient safety and in preventing quality and safety gaps between medicinal products prepared in pharmacies and in industrial settings, through outlining key elements of quality assurance in preparation processes. An innovative approach, such as a decision-making aid for determining the required level of quality standards, is included in the resolution.

The resolution is at the disposal of authorities and pharmacists in order to prevent incidents with medicines prepared in compounding pharmacies – let’s use it!

Further information for interested readers:

− Expert workshop proceedings on “Promoting Standards for the Quality and Safety Assurance of Pharmacy-Prepared Medicinal Products for the Needs of Patients” held on 24 September 2009 at the European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM), Council of Europe, in Strasbourg.

http://www.edqm.eu/site/Proceedings_Expert_Workshop_24th_September_2009pdf-en-30628-2.html

− Survey report published in Pharmeuropa (October 2010)

http://www.edqm.eu/site/Abridged_Survey_Report_on_Quality_and_Safety_Assurance_Standards-en-30786-2.html

− Council of Europe Committee of Ministers Resolution (CM/Res AP (2011)1) on quality and safety assurance requirements for medicinal products prepared in pharmacies for the special needs of patients

https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?Ref=CM/ResAP(2011)1&Language=lanEnglish&Ver=original&Site=CM&BackColorInternet=DBDCF2&BackColorIntranet=FDC864&BackColorLogged=FDC864


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